Pseudologik im Steuerstreit

Dieser Tage liest man viel über die komplexen Verhandlungen der Schweiz mit Deutschland und anderen Staaten über den Umgang mit unversteuerten Vermögen. Die Spannweite der Standpunkte ist dabei breiter, als man im Glauben an Rechtsstaatlichkeit gemeinhin annehmen würde. Denn die global existierenden Steueroasen stellen die Schweiz vor die Frage, ob man sich mit einer moralisch wünschbaren „Weissgeldstrategie“ nicht über den Tisch ziehen lässt von Staaten, welche hinsichtlich ihrer eigenen Schwarzgeldmagnete beide Augen zudrücken.

Natürlich wären für die Verteidigung der Reste des Bankgeheimnis Aliierte von grossem Vorteil. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Deshalb bleiben nur die Verhandlungen, begleitet von einem weiteren Prestigeverlust der heimischen Finanzbranche. Deren Mitarbeitende finden sich derweil aufgerieben zwischen der Verteidigung ihrer Zunft und einem kollektiven Mea Culpa.

Als Verteidigungsargument hört man dabei immer wieder die Behauptung, dass schliesslich die Schweiz als ganzes von dem vielen Schwarzgeld profitiert hätte. Diese etwas kleinlaute Rechthaberei entpuppt sich bei genauem Hinsehen aber als ziemlich unsachlich. Aus folgenden Gründen:

Erstens impliziert diese Idee, dass der schweizer Finanzplatz nur deshalb so prosperieren konnte, weil er Jahr für Jahr die hinterzogenen Gelder wie ein Schwamm aufgesogen hat. Und dass er ohne diese Gelder niemals auch nur annähernd so gross geworden wäre. Diese These widerspricht gänzlich der etablierten Auffassung, dass der Schweizer Finanzplatz auf Kompetenz und Vertrauen fusst. Als Vertreter des ehrwürdigen Bankenplatzes muss man dieses Argument folglich als geradezu ketzerisch zurückweisen.

Zweitens suggeriert die Idee, dass die Schweiz als Land enorm profitiert hätte von jenem Geld, welches durch die Verwaltung unversteuerter Vermögen verdient wird. Es mag ja sein, dass einige Schweizer Gemeinden ihren Steuerfuss auch dank der Kumulation einkommensstarker Neuzuzüger aus der Steueroptimierungsbranche senken konnten. Für die überwältigende Mehrheit der Normalverdiener machte dies jedoch kaum einen Unterschied. Leben diese doch weder in diesen Gemeinden, noch würde es bei ihrer Einkommensklasse wirklich einen Unterschied machen, wenn sie es doch täten. Die breite Bevölkerung nun in Geiselhaft zu nehmen für den Flurschaden einer Nischenbranche ist deshalb einfach nur schäbig.

Womit mir beim dritten Grund angekommen sind, weshalb dieser Argumentation mit Stirnrunzeln zu begegnen ist: Die Idee, dass man nun nicht so empört tun soll, als hätte man nichts gewusst, und gefälligst die Reihen schliessen soll zur Verteidigung gegen die Kräfte, welche den Finanzplatz torpedieren wollen, weil man ja auch einen Nutzen daraus zog über all die Jahre – diese Idee entspringt einem autoritären Reflex, nach dem das Recht auf Widerspruch verwirkt ist mit dem Moment, in dem man zum Nutzniesser eines Sachverhalts wird. Nach dieser Logik wäre es nur Veganern erlaubt, die Massentierhaltung zu kritisieren. Es ist ein vormodernes Verständnis menschlicher Abhängigkeiten, das hier zum Vorschein kommt. Beiss nicht die Hand, die dich füttert.

Für einen autoritären Stadtstaat mögen solche Untertanen hilfreich sein. Noch sind wir aber nicht soweit in der Schweiz. Trotz oder wegen des Bankgeheimnis.

The Corporate Life

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